Die
Aufgabe der Künstler in der Gesellschaft
Künstler
repräsentieren in jeder Gesellschaft die Bemühungen besonders sensitiver und
begabter Menschen, den charakteristischsten Situationen und Beziehungen ihrer
Gesellschaft und Kultur Gestalt und Bedeutung zu geben. Sie reflektieren in
ihren Werken nicht nur die gesellschaftlich aktuellen Themen, sie nehmen zu
gleicher Zeit auch Einfluss, initiieren heilsame Prozesse und leiten die
Entwicklung in eine bestimmte Richtung, sei es über Gedanken, Sprache, Klang
und Farbe, über Bilder und Ereignisse.
Ich sehe die Aufgabe
von Künstlern darin, das jeweils Wichtige und Wesentliche in Gesellschaft und
Kultur anzusprechen, auszusprechen und auch ein Bild von dem aufzuzeigen, was
sein könnte. So sind die Künstler immer zugleich Barometer und Thermometer,
Reflektoren und Projektoren größtenteils noch unbewusster Bilder und Ideen.
Wahre Kunst kann in
unserer Zeit nur aufdeckend, erneuernd und heilsam sein in dem Sinne, dass sie
alle abgespaltenen Anteile der Welt und des Lebens – sowohl des individuellen
als auch des kollektiven – beim Namen nennt, zum Ausdruck bringt und wieder ins
Ganze integriert. So wirkt jeder schöpferisch gestaltende Mensch selbst mit in
den Ereignissen und Hoffnungen des Tages oder der Zeit, als objektiv Denkender
und auch als emotional Beteiligter. Ich sehe es z.B. als Aufgabe der Dichter,
Schriftsteller, Literaten wie der Künstler der bildenden Kunst an, durch ihre Bild
– und Textgestalten all das zu konkretisieren, was für die meisten Menschen
noch unbewusstes Sehnen und Trachten sein mag.
Durch alle Zeiten
hindurch sind es in erster Linie die Künstler, die ganzheitlich leben,
ganzheitlich denken, fühlen und handeln, die Spiritualität und auch
Schattenthemen in ihren Alltag integrieren, die um innere Reife, Klarheit und
Erkenntnis ringen. Das Heil- und Ganzmachende der Kunst darf in diesem Sinne
auch mit dem Königlichen Weg des Yoga auf eine Stufe gestellt werden, denn Yoga
heißt soviel wie „Vereinigung“, wieder Anbindung an die ursprüngliche Quelle
(re-ligio). Kunstwerke, Bilder, Klangfarben und –formen wirken wie Mantren,
prägen das Bewusstsein, wirken klärend und erweckend auf den Geist, wirken
strukturierend, ebenmäßig formend und orientierend auf die Psyche.
Zur oft geforderten
aber selten erreichten Qualität von modernen Kunstwerken möchte ich sagen, dass
ich diese ausschließlich der Authentizität des Künstlers zuschreibe und
anerkenne und diese nicht am öffentlichen Kunstmarktwert oder einem
vergänglichen Zeitgeist messe. Wenn sich auch viele Künstler bewusst in der
Rolle des Schamanen, der „Medizin-Männer“ und „Medizin-Frauen“ sehen und einen
wertvollen Beitrag zur „Ganzmachung“ eines kranken Systems, eines kranken
individuellen oder kollektiven Organismus’ leisten, so ist auch in diesem
Bereich kritisches Prüfen und Hinterfragen erlaubt und notwendig. Jeder Mensch
kann mittels der Kraft der Wahr-Nehmung seines Herzens entscheiden, welche
Kunst oder Medizin ihm wohl tut.
Die eigene ständige
Selbsterneuerung gehört aus meiner Sicht zu der größten und edelsten Aufgabe
eines Künstlers, von der Arbeit an den eigenen Schattenthemen bis zur
grundlegenden tiefsten Transformation an der Wurzel der Seele. Für dieses heilige
und heilende Große Werk gilt es, einen freien Geist zu bewahren, der von nichts
und niemandem abhängig ist, unbestechlich und klar in seiner Wahr-Nehmung ist.
Sundra Kanigowski
Brilon, im Januar 2009
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